Einen Monat war Klaus Ringleb aus Düsseldorf in Haiti im Einsatz. Oft bis zur Erschöpfung. Foto Jürgen Peperhowe WN.
Einen Monat war Klaus Ringleb aus Düsseldorf in Haiti im Einsatz. Oft bis zur Erschöpfung. Foto Jürgen Peperhowe WN.
April 2010, Düsseldorf

Haiti – Helfen bis zur Erschöpfung

Klau Ringlep von den Maltesern aus Düsseldorf im Interview

Klaus Ringleb ehrenamtliche Helfer der Malteser aus Düsseldorf erzählt von seinem vierwöchigen Einsatz in Haiti. In seinem 13. Auslandseinsatz für die Malteser unterstütze er das Malteser-Team vor Ort in Leogane.

Das Interview führte die Intranet-Redaktion der Telekom. Als ehemaliger T-Systems Mitarbeiter berichtete Ringlep von unglaublichem Leid aus einem zerstörten Land, aber auch von kleinen Hoffnungsschimmern.

Herr Ringleb, wie fühlen Sie sich?
Klaus Ringleb: Danke, soweit ganz gut. Physisch ist alles in Ordnung. Es wird aber
wohl eine ganze Zeit dauern, bis ich die Eindrücke verarbeitet habe.

Das heißt?
Klaus Ringleb: Als ich Ende Januar die Anfrage bekam, ob ich nach Haiti zum Einsatz
fliegen könnte, habe ich nach kurzem Überlegen zugesagt. Aus den Medien, über Infos der Malteser und aus meinen Erfahrungen von den unterschiedlichsten Einsätzen weltweit dachte ich, ich wäre auf alles vorbereitet. Aber das Ausmaß der Katastrophe stellte alle bisherigen Katastrophen in den Schatten. Eigentlich eher vergleichbar mit den Zerstörungen nach einem Krieg.

Beim Tsunami 2004 sind in Asien doch ähnlich viele Menschen wie auf Haiti umgekommen?
Klaus Ringleb:
Ja richtig, man konnte aber verhältnismäßig schnell zu den Dörfern, zu den Menschen fahren und helfen. Auf Haiti ist dies fast unmöglich. Und selbst wenn Straßen und Brücken nicht zerstört sind, fährt man Stunde um Stunde entlang zerstörter Straßenzüge. Überall sieht man eingestürzte Gebäude, Menschen, die versuchen, ihre Habseligkeiten mit bloßen Händen zu retten. Das hört überhaupt nicht auf. Es befinden sich noch viele Leichen unter den Trümmern. All das nimmt man mit allen Sinnen wahr.

Wie macht sich das bemerkbar?
Klaus Ringleb:
Zum Beispiel sind in Eile ausgehobene Massengräber nicht oder unzureichend "abgedeckt" worden. Nun besteht die Gefahr der Grundwasserverseuchung. Zudem ist die Infrastruktur - neben den Straßen, die Wasser- und Stormversorgung - noch weitgehend zerstört. Dazu zählen auch Regierungsgebäude, Ministerien und Verwaltungen. Hätte nicht die UN die Koordination der internationalen Hilfsmaßnahmen übernommen, gäbe es keine
funktionierende Organisation auf Haiti und das Chaos wäre noch größer.

Wie leisten die Malteser vor Ort Hilfe?
Klaus Ringleb:
Der erste Trupp der Malteser International aus Argentinien ist direkt nach dem Erdbeben zur Unterstützung ins Land gegangen. Die haben fast nur operiert. UN-Schätzungen zur Folge sind in den ersten 14 Tagen über 5.000 Amputationen durchgeführt worden. Nach den Argentiniern haben die Deutschen das Lager in Leogane übernommen. Die völlig zerstörte Stadt Leogane liegt westlich der Hauptstadt Port-au-Prince und hatte rund 180.000 Einwohner. Unsere Mediziner, Krankenschwestern und Hebammen haben erste medizinische Grund- und Nachversorgung geleistet. Das und die Nahrungsmittelversorgung funktionieren langsam wieder.
Unser Lager ist auf dem Grundstück einer Rumbrennerei aufgebaut. Mittlerweile ist aus dem provisorischen Camp eine Art kleine, geordnete Zeltstadt mit bescheidener Infrastruktur geworden. Aktuell sind nun Malteser aus den USA vor Ort.

Was war ihre Aufgabe?
Klaus Ringleb:
Sowohl organisatorische, als auch praktischen Arbeiten, weitestgehend als Techniker. Dazu zählte auch die Zusammenarbeit mit anderen Hilfsorganisationen und den Militärs, mit Kanadiern und unseren direkten 'Nachbarn' im Camp, den Sri Lankern. Manchmal sind es große, manchmal kleinere Aufgaben, die auf dem Tagesprogramm stehen. Wichtig ist auch, dass ich dazu beigetragen habe, dass unser Lager einigermaßen vernünftig ausgestattet ist. Das bedeutet, neben richtig gesicherten Zelten auch Annehmlichkeiten wie elektrisches Licht, frisches Wassser, Dusche und WC. Letzteres wurde Dank Unterstützung des Grundbesitzers und einheimischer Arbeitskräfte realisiert. Dann hatte man nicht mehr den widerwärtigen Gestank schlecht aufgebauter Latrinen um sich herum. Neben solchen praktischen Dingen ist natürlich immer wieder das Menschliche gefragt. Ob nun in Verhandlungen mit anderen Teams und den Militärs, oder einfach, um die Leute bei Laune zu halten, denn Frust und Resignation können bei diesem ganzen Elend selbst bei den erfahrensten
Helfern aufkommen.

Werden die Helfer vor Ort psychologisch betreut?
Klaus Ringleb:
Auch das war weitestgehend eine Aufgabe, die mir mehr oder weniger im Vorfeld schon mit auf den Weg gegeben wurde. Wir sind aber alle vorbereitet worden. Einige bringen wie auch ich vielfältige Erfahrung mit, um Betroffene mit Gesprächen im Einsatz zu unterstützen und aufzubauen. Nach der Rückkehr können wir die professionelle Hilfe des psychologischen Dienstes der Malteser in Anspruch nehmen.

Wie haben Sie sich verständigt?
Klaus Ringleb:
Die Landessprache ist französisch beziehungsweise Kreol. Mit Englisch kommt man dann meist bei den internationalen Kollegen weiter. Wenn ich aber geschimpft habe, dann haben mich auch alle auf Deutsch verstanden (lacht). Spaß beiseite, von einer flächendeckenden Telekommunikation ist man noch weit entfernt. Teilweise muss man auf Funk und Satellit zurückgreifen. Wir haben meist ganz normal mobil telefoniert. Allerdings nur, wenn das labile Netz es wollte und nicht, wenn wir wollten.

Sie haben in den 30 Tagen auf Haiti viel erlebt. Was hat sich am tiefsten bei Ihnen
eingegraben?
Klaus Ringleb:
Ich habe viele Eindrücke mitgenommen, die verarbeitet werden müssen. Alles ist noch viel zu frisch. Zwei Beispiele fallen mir spontan ein: Als ich unter der Dusche stand, einem umgebauten Riesenfass aus Plastik und in der Öffnung hängenden Wasserschlauch, fing das Fass an zu schwanken. Erst dachte ich an einen Scherz der Kollegen. Dann realisierte ich, dass das eines der zahllosen Nachbeben war, die immer wieder das ganze Land erschüttern. Zum Glück sind die meist harmlos, aber bei den Haitianern werden die Erinnerungen an das Beben vom 12. Januar wachgerufen. Und dann war da noch der kleine Jim Malte. Er wurde während des Einsatzes mit
Hilfe unserer Hebamme geboren. Daher der Name Malte, für Malteser. Das war ein Moment, der in dem ganzen Elend einen Hoffnungsschimmer setzt. Jim hat im Gegensatz zu anderen Kindern eine Mutter und damit jemand, der sich um ihn kümmert. Viele, zu viele, sind 'Vollwaisen', da weder Eltern noch Geschwister noch andere Familienangehörige überlebt haben.

Was machen Sie in den nächsten Wochen beziehungsweise Monaten?
Klaus Ringleb:
Nichts zu tun ist nicht mein Ding. Ich werde die vielen Fotos, die ich gemacht habe, sortieren und dann bei verschiedenen Anlässen von meinen Erlebnissen berichten. So kann ich auch hier noch etwas für die Leute in Haiti tun. Der Aufbau wird nämlich noch viel kosten und lange dauern. Das ist eine Aufgabe für viele Jahre. Ich schließe aber auch nicht aus, nochmal nach Haiti zu fliegen.

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